Akademisches Lehrkrankenhaus der Philipps Universität Marburg

"Blindenführung" im Kreiskrankenhaus

Bei der "Blindenführung" im Kreiskrankenhaus. Schülerinnen und Schüler des Unterkurses (1. Ausbildungsjahr) v.l.: Adriana Aufmhof, Chiara Burk, Ali Abdul Ahmadi und Leonie Fratzke.

Pflegeschüler üben den Umgang mit sehbehinderten Patienten

Frankenberg, 10. April 2019. Patienten und Besucher waren sicherlich überrascht, als Ihnen Jugendliche begegneten, die jeweils zu zweit im Krankenhaus unterwegs waren, wobei jeweils einer eine Augenmaske trug. Die Schülerinnen und Schüler des Schulzentrums für Pflegeberufe am Kreiskrankenhaus absolvieren während ihrer Ausbildung eine Unterrichtseinheit mit dem Titel: „Umgang und Unterstützung bei Menschen mit Sehbeeinträchtigungen“. Weitere Einheiten gibt es zum Beispiel zu Hör- oder Sprachstörungen. Die Übung dient dazu, dass sich die Lernenden zunächst über Selbsterfahrungsübungen sowohl in die Situation eines sehbeeinträchtigen Menschen als auch in die Rolle der unterstützenden Pflegekraft hineinversetzen. Wie fühlt es sich an, die Umwelt nicht mit den eigenen Augen erfassen zu können? Welche Situationen lösen Unsicherheit und Angst aus? Welche Hilfen durch den Führenden sind besonders effektiv.

In der Nachbesprechung werden die Erfahrungen gesammelt und ausgewertet. Die Schüler und Schülerinnen des aktuellen Kurses fanden es besonders schwierig, wenn sie in der Rolle des Sehbehinderten Treppen steigen sollten oder in einem Wartebereich alleine gelassen wurden. Hilfreich war hingegen, wenn die Pflegekraft langsam ging, in Körperkontakt blieb und den Weg und die Örtlichkeiten präzise kommentierte, damit die geführte Person wusste, wo man sich gerade befand. Durch die Selbsterfahrung prägt sich die Empfindung tief ein und fördert so das sich Einfühlen in die Situation des Betroffenen.

Nach dieser Übung zu Beginn der Unterrichtseinheit lernen die angehenden Gesundheits- und Krankenpflege (-helfer) praktische Regeln zum Führen einer sehbehinderten Person, aber auch hilfreichen Umgangsformen (siehe Hintergrund). „Es ist wichtig, Menschen mit Sehbeeinträchtigungen zu vermitteln, dass sie respektiert werden und alle nötigen Hilfestellungen – insbesondere Sturzprophylaxe – erhalten, unabhängig davon, ob die Sehbehinderung seit Kurzem oder Längerem besteht. Genauso wichtig ist es, niemandem Hilfe „aufzudrängen“, denn nicht jeder Sehbehinderte wünscht Unterstützung. Dies ist als Selbstständigkeit zu werten und zu akzeptieren. Wird die Sehbehinderung länger andauern, ist es wichtig, dass der Patient so unabhängig von der Hilfe anderer ist, wie möglich. Die Unterstützung sehbehinderter Patienten stellt besonders hohe Anforderungen an Pflegende. Feingefühl und Einfühlungsvermögen sind wichtig.“ erklärt die Berufspädagogin für Pflege Christina Winter.

 

 Hilfreiche Umgangsregeln mit Sehbehinderten (auch für Angehörige) - Beispiele

  • Vor Betreten des Zimmers anklopfen und kurz warten; vor Verlassen des Zimmers dies ankündigen.
  • Den Sehbehinderten mit Namen ansprechen, den eigenen Namen und den weiterer Anwesenden nennen.
  • Patienten vor jeder Maßnahme über deren Zweck und Ablauf informieren.
  • Den Sehbehinderten nie ohne vorherige Ansprache anfassen.
  • Beim Treppensteigen die erste und letzte Stufe ankündigen.
  • Beim Anbieten eines Sitzplatzes die Hand des sehbehinderten Menschen auf die Arm-/Rückenlehne legen, so dass er sich alleine orientieren kann.
  • Türen (auch Schranktüren) stets schließen, um die Verletzungsgefahr zu minimieren, Stolperfallen entfernen.
  • Beim Essen ist es sinnvoll, die Speisen und die Anordnung der Speisen zu beschreiben und den Sehbehinderten ertasten zu lassen, wo sich Besteck und Trinkglas befinden (z.B. ist die Beschreibung anhand der Uhr möglich, „Das Fleisch befindet sich auf 6 Uhr“).
  • Gläser nicht zu voll befüllen und Servietten bereitlegen; bei der Zubereitung der Speisen bei Bedarf unterstützen.
  • Gegenstände immer an denselben Platz legen.

Quelle: Pflege I care (2015) und Pflege Heute (2012)

 

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